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Wasserwunder Samedan: Wie ausgeklügelt unsere Versorgung gesichert wird

Samedan liegt zwischen dem Inn und dem Flaz, umgeben von Bergen mit ergiebigen Quellen und Wasseradern. Bild: Raphael Fenner
In Samedan fliesst wie selbstverständlich, was in vielen Teilen der Welt unvorstellbar ist: Reinstes Wasser direkt aus der Leitung, in beliebiger Menge. Dazu ist jedoch ein ausgeklügeltes System aus Quellen, Reservoiren und Pumpwerken nötig. Die Gemeinde stellt sicher, dass dieses rund um die Uhr funktioniert. Doch könnte auch uns das Wasser mal ausgehen?

«In Samedan haben wir riesiges Glück. So viel und so sauberes Wasser, haben andere Gemeinden oft nicht», sagt Reto Felix. «Wir müssen aber auch dafür sorgen, dass es dort ankommt, wo es soll.» Der gelernte Sanitärinstallateur, Bauspengler und Wasserwart kennt das unterirdische Leitungsnetz wie seine Westentasche. Seit über 20 Jahren überwacht er in Samedan die Wasserversorgung.

Werkgruppenleiter Moreno Margiotta steht ihm dabei zur Seite. Gemeinsam schauen sie, dass rechtliche Auflagen zur Wasserqualität erfüllt werden, die technischen Anlagen sauber und funktionsfähig bleiben und vor allem, dass zu jeder Jahreszeit kristallklares Wasser in allen Haushalten fliesst. Egal, wie viel Schnee gerade produziert wird und wie viele Gäste da sind.


Von der Quelle in den Hahn

«Sollte die Quelle Val Champagna mal versiegen, könnten wir unseren maximalen Wasserbedarf nur knapp decken», sagt Moreno Margiotta. Deswegen ist es Aufgabe der Gemeinde ergiebige Quellen zu erschliessen, zu unterhalten und bei Bedarf zu sanieren – was natürlich auch einiges kostet.

Samedans Trinkwasser stammt aus zwei natürlichen Bergquellen, der wichtigsten Quelle Val Champagna, die etwa 75 % der Versorgung sicherstellt und der Quelle Proschimun. Zusätzlich gibt es ein Grundwasserpumpwerk am Golfplatz, das in Spitzenzeiten, vor allem im Winter, oder bei niedriger Quellschüttung im Herbst einspringt.

Das Wasser aus den Quellen wird oberhalb von Samedan gesammelt und für eine einheitliche Qualität durchmischt. Dort steht das Reservoir San Peter, das 1,5 Millionen Liter fasst – davon 250’000 Liter als Löschreserve. Diese darf nur von der Feuerwehr genutzt werden.

Die Wasserversorgung erfolgt über ein cleveres Druckzonensystem: Die untere Zone im Siedlungsgebiet wird direkt aus dem Reservoir San Peter gespeist. Die obere erhält ihr Wasser über das höhergelegene Reservoir Selvas Plaunas, das mit Druck vom Hauptreservoir aus befüllt wird.

Quasi parallel zu dem 21 Kilometer langen Wassernetz verläuft noch ein unterirdisches Kanalisationssystem. «Für dessen Unterhalt sind wir auch zuständig», sagt Moreno Margiotta, «hier lassen wir Dienstleister mit Hochdruckdüsen mehrmals im Jahr zur Reinigung kommen. Ebenso, falls es mal zum Rohrbruch oder einer Havarie kommen sollte.»

Streng kontrolliert

Das Wassernetz wird bis auf jede Pumpe und jeden Füllstand permanent elektronisch überwacht. So sehen die Wasserwarte immer, wie viel Wasser gerade in Samedan verbraucht wird und aus welcher Quelle wie viel geschöpft wird. Falls ein Problem ausserhalb der Bürozeit auftaucht, schlägt das System per Natel bei ihnen Alarm.

Und was passiert, wenn der Strom ausfällt? «Kein Problem», sagt Reto Felix, «die Quellen sind so angelegt, dass das Wasser von allein fliesst. Nur die Pumpen für die obere Druckzone würden nicht laufen – aber da bräuchte ich nur den Schieber von Hand einmal umkehren.» Natürlich würde in einem solchen, glücklicherweise bisher hypothetischen, Fall das Wasser rationiert werden.

Viermal im Jahr müssen die Wasserwarte zudem in einem sorgfältigen Prozedere Wasserproben entnehmen und ins kantonale Labor zum Gutachten schicken. «Es wird überwacht, dass die Wasserqualität gleichbleibt, damit es keine bösen Überraschungen gibt», sagt Reto Felix. Es sei immer wieder mal vorgekommen, dass andere Gemeinden Keime oder Verunreinigungen im Trinkwasser gefunden hätten.

«Doch wenn wir ehrlich sind, kommt unser Wasser schon in trinkbarer Qualität aus dem Grund», verrät der erfahrene Wasserwart. Und dennoch wird es teilweise in einem speziellen Filtrationsgebäude noch von Arsen und anderen Spurenelementen befreit, um die extrem strengen Richtwerte einzuhalten.


1,7 Millionen Liter täglich

Und wo geht das Wasser am Ende hin? «Manche glauben ja, wir lassen das Wasser irgendwo versickern», sagt Reto Felix lachend. «Aber natürlich ist das nicht der Fall.» Nach dem Gebrauch fliesst das Wasser in die Kanalisation. Von dort wird es zur ARA S-chanf, der Abwasserreinigungsanlage, geleitet. Hier wird es in einem fünfstufigen Verfahren aufbereitet und sauber in den Inn zurückgeführt.

Die Wasserversorgung in Samedan ist ein ausgeklügeltes Wunderwerk. Jeden Tag schaut das Gemeinde-Team, dass Leitungssystem, Infrastrukturen und Elektronik laufen, sodass etwa 1,7 Millionen Liter Wasser täglich in die Haushalte gelangen – und genauso sicher wieder abfliessen. «Die meisten würden wahrscheinlich erst merken, wie gut wir mit Wasser versorgt sind, wenn mal nichts mehr aus dem Hahn läuft», sagt Reto Felix. «Aber dazu wird es in Samedan hoffentlich nie kommen.»