Samedans Gemeindegebiet besticht durch landschaftliche Vielfalt und beeindruckende Dimensionen, die deutlich über das hinausgehen, was man auf den ersten Blick erwarten könnte. Der grösste Teil des Gemeindegebietes – weit mehr als das gleichnamige Dorf – ist unbesiedelt. Somit sind Naturereignisse in diesem hochalpinen Raum nicht ungewöhnlich.
So manchem ist nicht bewusst, dass Samedan weit mehr ist als ein kleines, charmantes Dorf im Herzen des Engadins. Mit einer Einwohnerzahl von 3’803 (Stand 2023) und einer Bevölkerungsdichte von nur 34 Personen pro Quadratkilometer erstreckt sich das Gemeindegebiet über eine beeindruckende Fläche von 113,8 km². Zum Vergleich: Samedan ist damit etwa 1,3-mal so gross wie die Stadt Zürich
Zum Gemeindegebiet gehören einige der prächtigsten Landschaften und Gipfel des Engadins, aufgeteilt auf zwei Teilflächen: Ein kleineres Areal von rund 47 km² umfasst die Val Muragl, die Val Champagna, die Talsohle des Inns mit dem Dorf, die Bergregion Padella, den Piz Ot sowie einen Teil der Val Bever und der Val da Suvretta da Samedan. Das grössere Areal von rund 67 km² umfasst den imposanten Bergkranz aus Piz Morteratsch, Piz Bernina, Piz Roseg, Piz Corvatsch und Piz Rosatsch. Samedan grenzt damit an Italien, Pontresina, St. Moritz, Silvaplana, Sils, Celerina, Bever, Madulain, La Punt und Bergün.
Diese Nachbarschaft zeigt, wie weitläufig und zentral Samedan im Engadin gelegen ist – und ist wahrscheinlich auch der Grund, warum es sich schon früh zum Wirtschaftsherz der Region entwickeln konnte.
Grösstenteils unbesiedelt
Der höchste Punkt des Gemeindegebiets ist der Piz Bernina mit 4‘049 Meter über Meer, während der tiefste Punkt der Gravatschasee ist mit 1‘698 Meter über Meer. Diese Höhenunterschiede verdeutlichen die vielfältige Topographie der hochalpinen Landschaft. Ein Grossteil von Samedans Gesamtfläche ist nicht besiedelt. Tatsächlich nimmt die Siedlungsfläche nur etwa 1,9 % ein, während 15,5 % landwirtschaftlich genutzt werden. Wälder bedecken 9,7 % der Fläche und der überwiegende Teil – ganze 72,9 % – bleiben unproduktiv. Das bedeutet, dass unberührte Landschaften und atemberaubende Bergwelten in Samedan eine dominierende Rolle spielen.
Bergsturz am Piz Scerscen im April
Natürlich finden auf so weitläufigem Gebiet regelmässig Naturereignisse statt wie zum Beispiel Lawinenabgänge, starke Stürme, Hochwasser, Steinschläge, Fels- oder Bergstürze. Ein besonders eindrucksvolles Beispiel für so ein Naturphänomen ist der Bergsturz am Piz Scerscen vom 14. April 2024: In der hintersten Val Roseg ereignete sich an jenem Sonntagmorgen um 6:56 Uhr ein Bergsturz mit gewaltigem Ausmass. Aktuelle Schätzungen gehen von einem Ablagerungsvolumen von total 8 Mio. Kubikmeter Fels, Eis und Schnee aus (Ausbruch ca. 5.5 Mio., davon ca. 1 Mio. Kubikmeter Eis) und erodiertes Schnee-Eis-Gemisch auf dem Sturzweg rund 2.5 Mio. Kubikmeter. Die Ablagerungen des Bergsturzes erreichten zwischenzeitlich Höhen von bis zu 30 Metern, mit «kleineren» Tälern von 10 bis 15 Metern Tiefe.
Da sich das Ganze zwar auf unbesiedeltem Gebiet, jedoch nur etwa 1.5 Kilometer vom Hotel Roseggletscher ereignete, war die Gemeinde Samedan gemeinsam mit den kantonalen Experten und Geologen besonders gefordert. Viele komplexe Fragen galt es gemeinsam zu klären wie zum Beispiel: ‚Kann es zu Nachstürzen kommen? Wie verhalten sich die Wasserflüsse? Was passiert bei Wetter- und Temperaturveränderungen? Welche Auswirkungen hat das Ereignis auf die Wanderwege, Loipen oder das Weideland?‘ Und: ‚Muss und kann angesichts solcher Dimensionen unbesiedeltes Naturgebiet überhaupt angemessen für Schaulustige und Touristen abgesichert werden?‘
Eigenverantwortung ist A und O
Auch wenn es klare Protokolle und Verantwortlichkeiten seitens der Gemeinde gibt, um bei Naturereignissen schnell und effizient zu reagieren, trägt jede Person, auch selbst Eigenverantwortung für ihre Sicherheit. Dies gilt besonders in unbesiedelten Gebieten, wo Sicherheitsmassnahmen weniger engmaschig ablaufen können als in besiedelten Gebieten. Denn was viele vergessen: Die Natur im hochalpinen Raum bleibt nach wie vor unberechenbar. Trotz moderner Technik und Wetter-Apps, ist es wichtig, die Risiken nicht zu unterschätzen, stets aufmerksam zu sein und sich angemessen zu verhalten.
So sollten Wanderer und Bergsteiger – ob ortsfremd oder einheimisch – unbedingt die markierten Wege nutzen, Wettervorhersagen beachten, geeignetes Schuhwerk und richtige Kleidung tragen. Aber auch die Vorgänge um sich herum aufmerksam beobachten und sich ihrer Umgebung bewusst sein.